Gewalt in der Familie ist ein Phänomen, das sich quer durch unsere Gesellschaft zieht. So soll jedes zweite Kind in Österreich schon einmal körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen sein.
Laut Univ. Prof. Dr. Gerhard Amendt, dem Herausgeber des Handbuchs „Familiäre Gewalt im Fokus“, ist körperliche oder verbale Gewalt in österreichischen Haushalte nach wie vor vorhanden.
Besonders Kinder und Jugendliche sind Opfer dieser Gewalt und zeigen langfristige Folgen. Kinder und Jugendliche reagieren mit Depressionen, schlechten schulischen Leistungen oder generell schwierigem Verhalten und sind oft nicht in der Lage, darüber zu sprechen und schützen die Täterin oder den Täter. Neben Entwicklungsstörungen können auch dauerhafte Schäden im Gehirn auftreten und Kinder später oft selbst gewalttätig werden. 63% der Kinder, die verbale oder körperliche Gewalt zwischen Ehepartnern miterleben, zeigen Symptome von Beklemmung und Trauma sowie oft ein geringes Selbstwertgefühl.
Aber nicht nur Kinder und Jugendliche sind betroffen. Das Buch zeigt auch, dass Missbrauchspraktiken tief in Familiensysteme eindringen, Generationen überschreiten können und auch von heterosexuellen Frauen oder zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ausgeübt werden. In Studien bestätigten sowohl männliche als auch weibliche Befragte, dass Vergeltung und das Bedürfnis, die ungeteilte Aufmerksamkeit des Partners zu erhalten ein Motiv für Gewaltausübung sei. Ein Auslöser für Gewalt jedweder Art tritt oft dann auf, wenn ein Partner die Beziehung zu beenden sucht. So sollen etwa 30% aller Scheidungsfälle zu Handgreiflichkeiten, Verleumdung oder Mobbing führen.
Die Ursachen des Partnermissbrauchs sind zwar unterschiedlich, unterscheiden sich jedoch nicht von den Geschlechtern. Eine Analyse der National Family Violence Surveys zeigt auf, dass in etwa der Hälfte der von Gewalt betroffenen Haushalte beide Partner körperliche Übergriffe am jeweils anderen verübt hatten und dass die Gewalt in der Mehrzahl der Fälle von den Frauen ausgegangen war. Weiters wurde in der Analyse aufgezeigt, dass einseitige Gewalt in Partnerschaften mit einem Anteil von etwa 25% bei Männern und Frauen auftrat.
Nach wie vor überbetonen Schlichter/Schlichterinnen, Gutachter/Gutachterinnen, Journalisten/Journalistinnen, Politiker/Politikerinnen und Richter/Richterinnen, die sich nach traditionellen, veralteten Modellen richten, die Opferrolle der Frau und unterschieden kaum zwischen Beziehungen mit tatsächlichem Missbrauch und schwer konfliktlastigen Beziehungen.
Auch wird in dem Handbuch mit dem Mythos aufgeräumt, dass der Mensch die allgemeine Tendenz unter Säugetieren geerbt hat, dass Männchen aggressiver als Weibchen sind.
Um die Spirale der familiären Gewalt zu durchbrechen, muss die Realität des beiderseitigen Missbrauchs und die Komplexibilität von Beziehungen zur Kenntnis genommen und erkannt werden. Nur so können unterschiedliche Behandlungsmodelle greifen und weitere Traumatisierungen unterbleiben.
Ein Handbuch, das vielen Organisationen, Vereinen und Politikern/Politikerinnen gegen den Strich geht, jedoch eine Pflichtlektüre für Ärzte/Ärtinnen, Richter/Richterinnen, Gutachter/Gutachterinnen, Psychologen/Psychologinnen, Studenten/Studentinnen, Lehrer/Lehrerinnen aber auch verantwortungsbewusste Eltern sein sollte.
Handbuch
Familiäre Gewalt im Fokus
Fakten – Behandlungsmodelle – Prävention
herausgegeben von Prof. Gerhard Amendt
Forschungsergebnisse und Behandlungsmodelle von 53 Autoren und Autorinnen
deutsche Ausgabe
Ikaru Verlag
UVP 41,40 Euro